Halbzeit im Stadtrat

Vier Frauen für die Grünen in Kulmbacher Stadtrat – 3 von vieren sind neu dabei.

Wie ist es im Stadtrat als Grüne, junge Frau? Wie ist es im Stadtrat als Fraktionsvorsitzende der Grünen?

Zum ersten Punkt können Lisa Töpper und Constanze Milbrad sicher mehr dazu sagen als ich mit meinen knapp 60 Jahren.

Aber auch für mich quasi als alte Häsin ist die Arbeit im Stadtrat der Umgang untereinander etwas völlig anderes als im Kreis- oder in Bezirkstag.

Da sind zum einen die Themen: mit der Planungshoheit kann die Stadt Kulmbach gestalterisch arbeiten, kann aber auch nicht nur gestalterisch, sondern auch Klimaschutz relevante Dinge entscheiden. Denn eines ist mir – und sollte allen Stadträt*innen – klar sein: Klimaschutz global beginnt mit Klimaschutz vor Ort. Wer das negiert, muss sich den Kindern und Jugendlichen verantworten, wenn sie die Frage stellen, warum hast du mich nicht gerettet!

Die Zeiten, in denen galt „so schlimm wird schon nicht werden“ sind längst passee. Extreme Hitze im Sommer und auch Starkregenereignisse haben Kulmbach in den letzten Jahren genauso heimgesucht wie den Rest Deutschlands, Europas und der Welt.

Da wir die Zeit aber nicht zurückdrehen können und die Versäumnisse, die unsere Vorgänger zu verantworten haben, nicht einfangen können, müssen, wir u. a.  viele Millionen Euro in den Hochwasserschutz investierten. In meiner ersten Haushaltsrede sagte ich schon, dass die schönen Bilder vor einem schönen restaurierten Objekt nun vorbei seien und ausgetauscht gehören mit Bildern, bei denen wir mit gelben Helm in irgendwelchen Schächten stecken. Hierzu zählt auch die aktuelle Maßnahme im Kirchwehr – die verspätete Kohlenbach-Sanierung, die verschleppt wurde und die wir nun dringend voranbringen müssen, um keine Fördermittel Rückzahlungen  zu riskieren. 

Dies ist alles nicht sexy und  wie unsere – sich selbst ernannte „Gestaltungsmehrheit“ aus CSU, WGK und FDP – schon in 2020 betitelte: nicht innovativ…

Aber was ist denn innovativer, als die Menschen vor Hochwasser zu schützen und unsere Natur vor Umweltschäden zu bewahren?

Die CO2 Bilanz zwischen Altbauten und Neubauten ist nie ein Thema im Rat. Informationen hierzu aus dem Entwicklungskonzept werden nicht thematisiert, alte Häuser stehen leer, vergammeln zum Teil und fördern unser Stadtbild nicht! Die auch dadurch entstehende Wohnraumnot versuchen wir durch verdichteter Bebauung mit Mehrfamilienhäusern zu begegnen – mit immer mehr Protest seitens der Anwohner*innen. Ging früher solch ein Protest ab und an gegen Kinderlärm, geht er heute zu 100 % gegen Verkehrsaufkommen, Verkehrslärm und parkende Autos.

Ein Mobilitätskonzept mit zu denken, steckt, um es maximal zu formulieren: in Kinderschuhen Größe 18. 

Letztens in unserer Stadtratssitzung, als es um das Turbinenhaus ging, kam Licht am Horizont auf. In unserer Vorlage war zu lesen, man könne auf die Stellplätze verzichten, unter anderem weil die Location sehr gut mit Bus und Bahn zu erreichen sei. Das lässt hoffen, aber nur dann, wenn es möglich sein wird,  nicht nur zur Veranstaltung hin, sondern auch zurück zu kommen!

Neben dem ÖPNV sind uns die Radwege wichtig und teuer. Teuer im Fall der Tangente, weil diese sehr kontrovers diskutierte Achse ein wichtiger Bestandteil des Radwegenetz sei, wurde uns seitens der Verwaltung versichert. Ein weiterer Gesichtspunkt war für uns die Kehrtwende der Universität von einem ursprünglichen, autofreien Campus hin zur Notwendigkeit der Tangente als Erschließung dieses Campusgeländes. Nichtsdestotrotz warten wir gespannt auf die Einschätzung in Sachen Denkmalschutz für das dort stehende Güterbahnhofsgebäude und überlegen dann weiter. 

Ich könnte jetzt noch vieles hinzufügen: zum Stadt Klima, Stadt Ökologie, zum Müll aufkommen in der Stadt, unserer Wegwerfmentalität und noch viele andere Themen wie Unterbringung von Menschen in Not, die bei uns Asyl suchen, rechtes Gedankengut, das jedwede Arbeitsmigration vernichtet…. alles das passiert auch in unserer Stadt – Themen, die wir ansprechen und vor allem  angehen müssen.

Aber bleiben wir beim Stadtrat, bei den Finanzen – respektive HH 23. Ich beziehungsweise wir vier Grünen Frauen können uns ja den Mund fusselig reden. Wir erklären seit zwei Jahren, die Notwendigkeit der Steuererhöhung der Grundsteuern A und B als ersten Schritt, um Stabilisierungsmittel vom Land zu erhalten – keiner glaubt uns. Ich habe schon einiges von meinen Erfahrungen aus dem Kreishaushalt, der sich seit Jahren konsolidiert, berichten können – keiner hört mir zu. Mit keinem meine ich, die schon erwähnte, sie selbst ernannte „Gestaltungsmehrheit“, die, wie wir Grünen Frauen auch liebevoll den „Konservativ-Block“ – kurz KB – nennen. Sie blockierten – wie bekannt – den ersten Haushaltsentwurf. Zuvor aber konnten wir alle unsere Wünsche eingeben, die zum Teil auch eingeflochten wurden. Erst sich was wünschen und dann ablehnen? Erst nach einer „Nachhilfe Stunde“ im Landratsamt hege ich die Hoffnung,  das das Thema Steuererhöhung und Konsolidierung der KB verstanden hat und – hoffentlich – auch akzeptieren wird.  Unsere Stadt muss die finanziellen Räume wieder erlangen, um die nächsten wichtigen anstehenden Maßnahmen zu finanzieren: das Kauflandgelände gestalten, den Campus zu integrieren, Altbestände auf Vordermann bringen, Neuerungen in die Stadt hinein zu holen UND das immer unter der Prämisse des Klimaschutzes und dem Schutz des Lebens der kommenden Generationen.

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